Wie alles begann – Teil II

Es war ein langer, aber eigentlich gar nicht so weiter Weg von den ersten Übersetzungen irgendwo zwischen der 5. und 6. Klasse in der Schule und dem neuesten Literaturprojekt, das ich jetzt betreue. Wie war das damals, nachdem wir mühsam die ersten Sätze auf Englisch formulieren konnten? Ich erinnere mich nur vage an die ersten »größeren« Hausaufgaben: »Bitte übersetzt den kleinen Text auf Seite 53 ins Deutsche!« Der Text handelte von Little John, der mit seinen zwei Geschwistern im Garten spielt. Die Eltern – Mary und James hießen sie, glaube ich – bemerken, dass der Hund der Familie nicht aufzufinden ist, und alle gehen auf die Suche. Schließlich wird der Hund beim Nachbarn gefunden und alles ist wieder gut.

Was haben wir uns damals geplagt, um einigermaßen gute deutsche Sätze hinzubekommen … Dann wurde es im Laufe der Jahre natürlich immer umfangreicher, schwieriger, stressiger; und Französisch und Latein kamen auch noch dazu. Doch seltsamerweise fand ich trotzdem immer mehr Spaß daran, Wörter, Sätze, Geschichten auseinanderzunehmen und in der Zielsprache wieder (mehr oder weniger) korrekt zusammenzusetzen.

Schließlich, kaum 20 Jahre später, kam dann »Day Zero« meiner heutigen Arbeit; der Auslöser, Funkensprung, die Erleuchtung, wenn man so sagen will. Im Verlag, in dem ich als Texter arbeitete, wurde jemand gesucht, der nebenher einfache Bedienungsanleitungen für Haushalts- und Elektronikgeräte aus dem Englischen ins Deutsche übersetzen könnte. Spontan habe ich mich für diese neue Aufgabe gemeldet.

Es stellte sich heraus, dass das Englisch meist sehr schlecht war, oftmals vom Chinesischen schlampig oder gar per Software grob übersetzt. Trotzdem versuchte ich, gutes Deutsch daraus zu zaubern, was mir in den allermeisten Fällen auch gelang. Es war anfangs die ganz harte Schule also, die ich durchlaufen musste. Aber ich fand schnell Spaß am knobeln, zurechtrücken, neu erfinden und perfektionieren.

Im Laufe der Jahre wurden aus einfachen, übersichtlichen Anleitungen umfangreiche (oft bis zu 50 Seiten und mehr umfassende) und auch sehr anspruchsvolle Übersetzungen. Zudem blieb es nicht nur bei technischen Übersetzungen. Oft wurden im Verlag Interviews mit internationalen Autoren geführt, und diese wollen schließlich auch übersetzt sein. Nach und nach bekam ich immer mehr Aufträge außerhalb meines eigentlichen Wirkungskreises: Briefwechsel, Werbeschriften, Blogeinträge, Internetauftritte und und und …

So war es nur ein logischer Schritt, den Sprung in den Selbständigkeit zu wagen. Ein großer Schritt; ein Wagnis, gerade in der heutigen Zeit; aber nichtsdestotrotz ein Schritt, den ich niemals bereuen werde, denn nun bin ich endlich dort angekommen, wo ich schon immer hin wollte.