Kongenial ist schon auch ein bisschen genial

Spätestens wenn Finn im Cockpit des Millennium Falcon eine faustgroße Stahlkugel findet und diese als vermeintlich wertlos wegwirft, wird klar, J.J. Abrams ist nicht nur Regisseur des neuesten Hyperdrive-Outputs aus dem einstigen Lucas-Imperium, der 49-jährige Produzent, Drehbuchautor, Komponist und Regisseur ist ein weitaus größerer Star Wars Fan als wir alle.

Ich war bestimmt nicht der einzige, den sehr gemischte Gefühle überkamen, als bekannt wurde, dass mit »Star Wars: The Force Awakens« die erste filmische Großproduktion der Post-Lucas-Ära unter der Fuchtel des neuen Firmeninhabers Disney entstehen würde.

Nur wenige Monate jünger als Mr. Abrams, war ich gerade mal 11 Jahre alt, als »Star Wars« nicht nur meine Liebe zum Medium Film in ungeahnte Höhen katapultieren sollte, sondern auch zu einem nicht unwesentlichen Teil ein Kernereignis meiner Jugend wurde. Und heute, mit 49 Lebensjahren, habe ich einige Höhen und Tiefen im Lucas-Universum durchlebt. 1980 der geniale zweite Teil, in dem nicht nur das Imperium zurückschlägt, sondern Luke erfährt, wer sein Vater ist (ja, auch mein Herz stand beim ersten Mal sekundenlang still). 1983 der etwas verspielte (Ewoks) und sich wiederholende (schon wieder ein Death Star), aber alles in allem doch sehr versöhnliche Abschluss der Ur-Trilogie.

Dann kam 1999 die lang ersehnte Fortsetzung, die in so vielen Belangen enttäuschte. Doch immerhin standen dem völlig leeren Mini-Anakin noch Liam Neeson und Ewan McGregor gegenüber, der in unglaublicher schauspielerischer Kleinstarbeit den jungen Ben Kenobi alias Sir Alec Guinness perfekt personifizierte. Immerhin konnte George Lucas 2002 und 2005 einiges wiedergutmachen, indem er in den Episoden II und III mit Christopher Lee und den vorgenannten Akteuren sein mitunter beständiges schlechtes Händchen bei der Auswahl der Jungdarsteller kompensierte. Auch tricktechnisch war natürlich alles auf modernstem High-End-Niveau.

So waren es nicht einfach, mit guten Erwartungen in die neue »Episode VII« zu gehen, auch wenn J.J. Abrams ja schon bis dato bewiesen hat, was er aus Mystery, Storytelling und auch aus Star Trek herausholen kann. Doch alles kam dann völlig anders: Es dauerte nicht mal 10 Minuten, bis ich bei der Premiere von »The Force Awakens« begriff: Hier erlebe ich ganz großes Blockbuster-Kino. Und ich meine das ausschließlich in positivem Sinne. Die Specialeffekte sind nahezu perfekt: Der Millennium Falcon rauscht im Tiefflug durch einen Wald und kracht mit unheimlicher Vehemenz zur Bruchlandung auf den Boden, dass es zunehmend schwer wird, zu glauben, das alles ist nur im Mac entstanden. Planeten werden zu Dutzenden abgeschossen und auch die bunte Vielfalt an Außerirdischen zeigt die ein- oder andere Anspielung an alte Zeiten (die Cantina-Band von 1977 rockt noch immer). Soweit nichts Überraschendes in der heutigen Zeit Special-FX-Superlative.

Die Neuausgabe von R2D2 mit Namen BB8 ist putzig, spritzig und fast genauso lustig wie sein großer Bruder, der zugegebenermaßen ja auch einen C3P0 zur Unterstützung hat. Dieser brabbelt übrigens nach wie vor in feinstem Hochenglisch daher und natürlich immer genau dann, wenn er besser ruhig sein sollte. Han und Leia sind mittlerweile in die Jahre gekommen, ihre Liebe jedoch nicht, auch wenn es schwer für die beiden wurde, da ihr Sohn nun seinem Opa nacheifert und auch mit schwarzer Maske die dunklen Sphären der Macht erkundet (auch wenn nicht so recht klar wird, wozu er – anders als sein asthmatischer Opa – die Maske überhaupt braucht).

Es sind so viele Kongenialitäten in diesem Film versammelt, dass man viele erst beim zweiten (oder dritten oder vierten) Hinsehen erkennt. Das allein zeugt schon von einen wahren (Jedi-)Meister. Doch die drei neuen Helden dieses Films zeigen die eigentliche Stärke von Mr. Adams: ein wesentlich besseres Händchen für gute Jungschauspieler und die Erweiterung des Heldenspektrums in globale (oder besser universelle) Multikulturellität: Die neue Hoffnung der Jedis ruht auf einer jungen Frau, die von einem farbigen Ex-Stormtrooper und einem Superpiloten und Haudegen im Han Solo Format unterstützt wird. Zu sehen, mit welcher Leichtigkeit sich dieses Trio in den großen Fußspuren von Luke, Han und Lea bewegen und dabei noch jede Menge Situationskomik beweisen, ist schon mehr als kurzweiliges Vergnügen.

Mr. Abrams schafft das Kunststück, junge Star Wars Enthusiasten genauso zu begeistern, wie uns alte Urgesteine, die wir die eingangs erwähnte Stahlkugel natürlich gleich als die Jedi-Trainingskugel erkannt haben, mit der Luke seine Ausbildung zum Laserschwertkampf beginnt. Auch wenn uns »The Force Awakens« durch den Verlust einer der beliebtesten Figuren im Star Wars Imperium zutiefst erschüttert zurücklässt, so ist die Hoffnung auf ein erneutes Erstarken der guten Seite der Macht (und eines durch Vollbart seinem Lehrmeister Ben Kenobi ähnelnden Luke Skywalker) in drei Jahren (und hoffentlich nicht länger, bitte) dieses Mal ohne gemischte Gefühle zu betrachten.

 

Well done, Mr. Abrams.