Für mich steht nicht nur der Winter vor der Tür. Anfang Dezember begebe ich mich schlagartig auf Hochkonzentrationsniveau, wenn eines morgens ein recht unscheinbarer Brief aus Darmstadt in meinem Briefkasten landet. Damit ist nämlich dann der Startschuss für die anstehende Diplomprüfung gefallen.
Die Prüfung zum Staatlich geprüften Übersetzer für Englisch (und natürlich Deutsch) hat, wenn man diese so wie ich in Darmstadt ablegt, eine Besonderheit: Sie besteht nicht nur aus schriftlicher und mündlicher Prüfung, wie man es ansonsten allerorten in Deutschland erwarten würde, sondern aus DREI Teilen. Der erste Teil ist dabei die Besonderheit: 4 Übersetzungen bekomme ich zur gefälligen Bearbeitung auf den (heimischen) Tisch geliefert.
Ja, richtig gehört, der erste Teil wird mir nach Hause geschickt. Hier habe ich exakt zwei Wochen Zeit, um jeweils zwei Übersetzungen vom Deutschen ins Englische anzufertigen und die beiden restlichen umgekehrt. Jeweils zwei Wirtschaftstexte und zwei aus dem allgemeinen Sprachbereich. Klingt doch super, da hole ich mir doch einfach zehn Fachmänner ins Haus, gebe jedem einen Hunderter und die Eins ist mir sicher. Aber nein, so einfach geht’s denn doch wieder nicht.
Neben den vier Übersetzungen muss ich nämlich NATÜRLICH auch eine eidesstaatliche Versicherung mit abgeben, in der steht, dass ich das alles ganz alleine angefertigt habe. Hmm, … und dann kommt halt auch noch dazu, dass es sich nicht um Allerweltstexte handelt, sondern um Kreuzschweres Zeug, dass man in seiner Muttersprache schon fast nicht verstehen will.
Trotzdem, ich bin über meine Entscheidung froh, diese besondere Prüfungsart auf mich zu nehmen, weil ich hier zeigen kann, was wirklich in mir steckt: zwei Wochen lang Extremrecherche in gefühlt 87 Wörterbüchern, Lexika und Kompendien, ganz zu schweigen von den Myriaden an Internetseiten, die miteinbezogen werden dürfen. Zwei Wochen lang ein konstantes Hin und Her, ein tägliches Abwägen, welches Wort denn nun besser passt und welcher Ausdruck das Ganze formschön abrundet. Zwei Wochen lang ganz tief eintauchen in die Welt der Linguistik. Doch am Ende wird schon alles passen.
Denn wann ist eine Übersetzung wirklich gelungen: Richtig, wenn man sie liest und gar nicht merkt, dass es eine Übersetzung ist …