Kaum zu glauben, wie schnell das erste Jahr vergangen ist; und nicht nur in den Zeiten, in denen die Arbeit über den Kopf zu wachsen drohte.
Aber ich möchte keinesfalls klagen, das Resümee des ersten Jahres meiner Selbständigkeit fällt doch überwiegend positiv aus. Man erstellt sich anfangs ja allerhand Tabellen, Kalkulationen, »Solls« und »Ists« … vor allem, um das Arbeitsamt zu einem Zuschuss zu bewegen und von der Bank Deines Vertrauens den Gründungskredit gnädigerweise genehmigt zu bekommen. Doch auch wenn dies alles klappt und man sich als »Jungunternehmer« ziemlich toll und frei fühlt, schon bald wird man von Realitäten eingeholt und alle Vorhersagen und Kalkulationen verselbständigen sich auf wundersame Weise in ungeahnte Sphären.
Nach einigen Monaten stellt sich ein dem manisch-depressiven Krankheitsbild ähnelnder Geschäftszustand ein: Die erste Zeit läuft zufriedenstellend. Doch Januar und Februar sind bereits ein Totalausfall und ich frage mich, wie lange das noch finanziell durchzuhalten ist. Plötzlich melden sich im Laufe des März eine Reihe vielversprechender Kunden und im Juli sind 16 Std. täglich kein Fremdwort mehr, nur um im August saisonbedingt wieder auf kurz vor Flatline abzufallen. Aber das ist wohl normal im Leben eines selbständigen Unternehmers und man gewöhnt sich dran, gerät nicht mehr gleich in Panik und versucht, im kleinen Stil die berühmten Rücklagen für Notzeiten zu bilden.
Das Interessanteste, das ich nach einem Jahr feststellen kann ist, dass mein Konzept der vier Säulen zwar genau richtig und gut durchdacht war, die Säulen sich jedoch klammheimlich verselbständigen: die eine schrumpft, die andere schießt empor, eine dritte verschwindet gänzlich und eine völlig neue wächst aus dem Nichts empor.
Was heißt das nun Konkret? Nun, meine übersetzerischen Aktivitäten haben ein beständiges Level erreicht und wenn alles gut geht, kann ich sogar einen ersten Schritt in die schöne Welt der literarischen Übersetzung unternehmen. Die Arbeit als Sprachtrainer nimmt mittlerweile einen größeren Teil meiner Gesamtaktivität ein als gedacht. Der Nachhilfeunterricht ist der beständigste, aber auch der kleinste Teil meiner Selbständigkeit. Auf der anderen Seite hat sich mein Ausflug in die (Arbeits-)Welt des Redakteurs als nicht sehr erfolgreich erwiesen und wurde nach einigen Monaten wieder beendet. Am erfreulichsten ist, dass meine Auftragslage als Musiker, insbesondere als Sänger, sich im Laufe des Jahres enorm nach oben entwickelt hat und im nächsten Jahr noch weiter ausbauen lässt.
So sieht’s aus, nach meinem ersten Jahr als Selbständiger: Einiges nicht so gut, vieles besser als gedacht, aber auf jeden Fall ist Arbeit da und vor allem …
Die Arbeit macht Spaß! … und das schätzen Kunden am meisten.
Erstes Jahr meiner Selbständigkeit: Check.
Also: geradewegs hinein ins zweite Jahr, ganz nach dem Motto, das eine mehr oder weniger beliebte Dame hierzulande nicht müde wird, zu propagieren: Auch ich schaffe das …